Ein Grund, warum ich mich selbständig gemacht habe, war die Hoffnung, dass ich als Selbständige Familie und Beruf leichter vereinbaren könne.


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Doch leider weit gefehlt….
Es gibt verschiedene Auftragssituationen, die mich in die eine oder andere Richtung knebeln:

ENTWEDER ICH habe Aufträge:

Die Unternehmerin hat von einem externen Dritten, der weder sie noch ihre privaten Belange kennt, einen Auftrag bekommen. Sie hat diesen Auftrag nur deshalb bekommen, weil keiner der Arbeitnehmer die dafür notwendigen Kenntnisse hat, oder weil der Auftraggeber bei den Berater bei Nichterfüllung in die Haftung nehmen will oder weil der Auftraggeber einen Sündenbock sucht oder weil der Auftraggeber sich hinter den externen Ergebnissen verstecken will.

Die Unternehmerin hat den Auftrag in den seltensten Fälle nur deshalb bekommen, weil sie so nett sind.

Das bedeutet, dass der Auftraggeber sich von der Auftragserfüllung viel verspricht, denn schließlich hat er den hohen Tagessatz in den Entscheidungsgremien durchgeboxt und muss sich nun permanent rechtfertigen. Der Auftraggeber kann es sich nicht leisten, dass die Beratung ein Flopp wird und er wird laufend das projekt zeitlich überwachen.
Damit wird ein enormer Erfolgsdruck aufgebaut, dem der Selbständige gewachsen sein muss.

Alle Freiheiten von denen ich geträumt habe, Freiheiten der freien Arbeitseinteilung, des Arbeitens während der Kinderschlafzeiten, des Notebooks auf den Knien im Café, kann man vergessen.
Das funktioniert nicht.
Zum Zeitpunkt X habe ich die Projektergebnisse zugesagt, und zum Zeitpunkt X muss ich liefern. Während der Projektphasen ist kein Urlaub möglich, Mitarbeiterkrankheiten müssen aufgefangen werden und für kranke Kinder fehlt jedes Verständnis.

Als Unternehmerin ist man also möglicherweise eingebundener, abhängiger und stärker unter Druck als in jedem Arbeitnehmerverhältnis. Denn von meinem Erfolg hängt die Mundpropaganda ab, die Empfehlung, die schnelle Bezahlung.

Die einzige Freiheit, die ich habe: ich kann entscheiden, ob ich bis 23.30 oder von 05:00 an arbeite.

ODER ICH habe gerade keine Aufträge:

Als Unternehmerin muss ich Kaltaquise betreiben, auch wenn mir die Vertriebsmentalität völlig fehlt. Natürlich kann ich auch zu Hause warten, ob ein Auftraggeber anruft und wenn nicht, dann auf die Ungerechtigkeit der Welt schimpfen.
Aber ohne Aufträge wächst der Erfolgsdruck um so mehr, da meine monatlichen Verpflichtungen weiterlaufen, die Erlöse aber ausbleiben. Ich arbeite also ununterbrochen an Konzepten, telefoniere, besuchen Kongresse, um Visitenkarten zu verteilen, produziere Reisekosten, nur um am Monatsende wieder eine Gewinnwarnung aussprechen zu müssen.

Zwar hätte ich Zeit in auftragsschwachen Zeiten Bücher zu lesen oder am Rhein zu sitzen, aber ich habe keine Muße dazu, weil der finanzielle Druck einen nicht ruhen läßt.

Die einzige Freiheit, die ich habe ist die, dass ich mich permanent entscheiden kann, ob ich jammere und mein Gespartes ausgeben oder ob ich die Zähne zusammen beiße und aquiriere.

Ich bin also in keiner Lebenssituation so frei, wie ich es mir erträumt hatte und verlange von meiner Familie ein hohes Maß an Toleranz.